Am 5. Mai 1946 wurde das Denkmal für die Opfer des Faschismus (OdF) im Rostocker Rosengarten eingeweiht. Zum 75. Jahrestag gedachten wir heute am 5. Mai 2021 um 16 Uhr im Rosengarten. Unser Sprecher Eckhard Brickenkamp begrüßte gut 25 Interesset*innen. Aufgrund der Pandemie und den damit eingehenden Auflagen war die Teilnehmer*innenzahl auf 50 begrenzt, sodass wir die Öffentlichkeitsarbeit im Voraus stark eingeschränkt haben.
Aufgrund der Beteiligung zweier sozialdemokratischer Oberbürgermeister an der Umsetzung des Denkmals, hielt Anne Mucha als Mitglied aus dem Vorstand des SPD-Kreisverbandes Rostock und Mitglied der Bürgerschaft ein Grußwort. Sie betonte die Wichtigkeit, dass die verschiedenen Initiativen und Parteien nicht immer über den Weg einig seien, aber das Ziel eines friedlichen Zusammenlebens uns verbinden. Als Beispiel nannte sie die Etablierung einer Mehmet-Turgut-Straße oder eines Platzes in Dierkow-Toitenwinkel durch die Bürgerschaft in Absprache mit der Familie von Turgut. Die Redeliste rundete Michael Noetzel (DIE LINKE) ab. Er fokussierte sich auf den allgemeinen Umgang mit aktuellen rechten Umtrieben, die manchmal offensichtlich agieren, manchmal eher subtil. Es widere ihn an, wenn Menschen auf Demonstrationen zu Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gelbe David-Sterne tragen oder sich mit Sophie Scholl verglichen, da das die waren Faschistischen Verbrecher verharmlost und ihre Opfer lächerlich mache. Letztlich sei es auch ein Problem, wie schwach sich die zuständigen staatlichen Stellen in diesem Punkt zeigten.
Zur Entstehung des Denkmals
Schon in den ersten Monaten nach der Befreiung Deutschlands von der Herrschaft der Nationalsozialist*innen, gab es in Rostock Überlegungen, für die Opfer und Verfolgten des Nazi-Regimes einen würdigen Gedenkstein zu setzen. Der Ort sollte im Zentrum der Stadt liegen. So entstand der Vorschlag, den Platz am Eingang zum Rosengarten beim Steintor zu wählen, gegenüber dem Ständehaus, in welchem NS-Richter ihre Strafen gegen Mitglieder des antifaschistischen Widerstands unter anderem aus Gewerkschaften, Parteien wie der SPD und der KPD oder bürgerlichen und liberalen Parteien verhängt hatten.
In seiner Sitzung am 11. Dezember 1945 entschied sich der OdF-Ausschuss bei der Rostocker Stadtverwaltung im Beisein von Oberbürgermeister Otto Kuphal (SPD) für den Entwurf des jungen Architekten Hans Stridde. Er schlug vor, das Mahnmal aus einem grauen Granit-Kubus zu gestalten und auf jeder der vier Seiten das V oder den Winkel konisch aus dem Granit zu schlagen, der je nach Farbe als Kennzeichen der verschiedenen Verfolgten-Gruppen in den Konzentrationslagern war und noch heute als Symbol im Logo der VVN-BdA erhalten geblieben ist. Der Kubus sollte von einer Opferschale gekrönt werden, die von den Buchstaben KZ „getragen“ wird.
Zu dieser Entscheidung des OdF-Ausschusses gab es in der Stadt nicht nur Zustimmung. Die Rostocker Ortsgruppe der Sektion „Bildende Kunst“ forderte zum Beispiel eine Ausschreibung für den Gestaltungsentwurf des Mahnmals. In seiner Sitzung am 28. Dezember 1945 sprach sich der OdF-Ausschuss gegen eine Ausschreibung aus und bat den Oberbürgermeister in einem Schreiben vom 8. Januar 1946, dem Entwurf von Hans Stridde offiziell zuzustimmen. Dabei wurde auch darauf verwiesen, dass die Frau von Stridde Opfer der Nürnberger Gesetze gewesen war.
Der Rostocker OdF-Ausschuss setzte sich wie folgt zusammen: Brigitte Boas als jüdische Vertreterin, als Vertreterin der ehemaligen Häftlinge des KZ Ravensbrück Emmy Göpfert, Erich Hagenbeck als Vertreter für Häftlinge des KZ Flossenbürg, Wilhelm Hahn und Leopold Fox für die Häftlinge des KZs Sachsenhausen, Tesch für die KPD, Schröder für die SPD, Knorr für die Gewerkschaften und Brandt als Beisitzer. Leiter des Ausschusses war Kurt Gramm, der als Rostocker Jude in der Nazizeit entrechtet und verfolgt wurde.
Die Einweihung – „Zahlreiche Beteiligung wird gebeten, zu veranlassen.“
Oberbürgermeister Kuphal stimmte dem Vorschlag des Ausschusses zu. Als nach Otto Kuphals Ableben Albert Schulz (SPD) am 1. Februar 1946 das Amt des Rostocker Oberbürgermeisters antritt, unterstützt er die Konzeption für die Errichtung des Mahnmals vorbehaltlos.
Am 5. April berichtet die „Volksstimme“ über die Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde zur Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Faschismus im Rosengarten. Die Ausführung der Steinmetzarbeiten und die Aufstellung des Mahnmals erfolgt durch die Rostocker Firma Mayen und Mohr. Die „Opferschale“ fertigen Arbeiter des Reichsbahnausbesserungswerkes aus der Schiffsplatte eines zerstörten deutschen Kriegsschiffes. Die Gestaltung der Freifläche um das Mahnmal entwirft Stadtgärtner Arno Lehmann und das Stadtgartenamt übernimmt die Ausführung.
Oberbürgermeister Albert Schulz entscheidet, dass der Platz, auf dem das Denkmal für die Opfer des Faschismus steht, in „Karl-Marx-Platz“ benannt wird, der Rosengarten jedoch seinen Namen behält. Am 29. April 1946 informiert Oberbürgermeister Albert Schulz in einer Hausmitteilung alle Dienststellen und Bereiche des Rathauses, „dass am Sonntag, dem 5. Mai 1946, 9.30 Uhr am Rosengarten das Denkmal für die Opfer des Faschismus eingeweiht werde … Zahlreiche Beteiligung wird gebeten, zu veranlassen.“
Die Einweihung findet wie geplant statt. Sehr viele Rostockerinnen und Rostocker sind gekommen, wie aus einem überlieferten Foto ersichtlich ist. Unter den Teilnehmern befinden sich die Verfolgten des Nazi-Regimes, die dessen Terror überleben konnten. Die Begrüßungsansprache hält der Vorsitzende des Rostocker OdF-Ausschusses, Bürgermeister Walter Petschow. Ansprachen halten auch Alfred Starossen für die SED, Dr. Leo Glaser für die LDP und Fanny Mütze-Specht für den Antifaschistischen Frauenausschuss.
Mit der Enthüllung des Denkmals erhält seine Umgebung offiziell den Namen „Karl-Marx-Platz“. Durch die Einweihung des Denkmals am 5. Mai 1946 gehört Rostock zu den ersten Städten in Deutschland, die einen würdigen Gedenkort für die Opfer und Verfolgten des Nazi-Regimes geschaffen haben.
Die Nutzung des OdF-Mahnmals bis heute
In den folgenden Jahren findet an diesem Ort aus unterschiedlichen Anlässen eine Ehrung der Opfer des deutschen Faschismus statt. Vor allem am „Tag der Opfer des Faschismus“, der seit 1945 in vielen Städten Europas am zweiten Sonntag im September begangen wird, treffen sich hier viele Menschen, um der Opfer des Nazi-Terrors zu gedenken, den Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft und den Krieg zu würdigen und im Brecht‘schen Sinne zu mahnen: „Der Schoß ist fruchtbar noch“.
Heute fühlt sich die VVN-BdA dieser Tradition verpflichtet. Sie verbindet gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen mit dem OdF-Denkmal weiterhin Gedenkarbeit zu den Opfern und Verbrechen des NS-Regimes sowie den Widerstandskämpfer*innen. Die VVN-BdA setzt sich gegen neofaschistische Erscheinungen, gegen Antisemitismus, Rassismus und jede Form von Diskriminierung sowie gegen alle Arten von Militarismus ein. Ihr Wahlspruch ist bis heute der Schwur der Häftlinge von Buchenwald: „Die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“