Aus der Mitgliederversammlung vom 29. September 2018:
Im Rechenschaftsbericht wurde das Friedhofsprojekt erwähnt. Ich möchte nun über die Geschichte des ersten Teils dieses Projektes berichten:
Nachdem sich die Stadt Rostock mit der Wende aus der Verantwortung gezogen hatte, stellten wir 2002 die Frage: Wie können wir Würdigung und Erinnerung an unsere VdN/OdF-Kameradinnen und -Kameraden, die auf dem Neuen Friedhof nach 1945 beerdigt wurden, bewahren und sichern?
Käthe Martin, Lilo Welter, Marie-Louise Hänsel und ich gingen an vielen Tagen über den Neuen Friedhof und machten eine Bestandsaufnahme: Wo sind die Gräber, in welchem Zustand befinden sie sich, was können wir tun?
Dann nahmen wir Kontakt mit den Hinterbliebenen und der Friedhofsverwaltung auf. 2009 gelang es Hanna Jawinsky gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Gruppe von Studierenden und Jugendlichen zu gewinnen für das Projekt: „Grabanlagen und Grabstätten von Widerstandskämpfern, Verfolgten und Opfern des Faschismus auf dem Neuen Friedhof in Rostock“. Beschreibung, Bestandsaufnahme, kritische Beurteilung über den Zustand und umfangreiche Recherchen zu den Biographien der Verfolgten und Opfer in den Archiven Greifswald, Rostock, Schwerin und Berlin mündeten in der Broschüre „Gedenkstätten für Opfer und Verfolgte des Naziregimes auf dem Neuen Friedhof in Rostock„. In dieser heißt es u.a.: „Im Zentrum der inhaltlichen Tätigkeit der Basisorganisation der VVN-BdA Rostock steht: Dem Vergessen der Opfer entgegenzuwirken, die historischen Spuren wieder sichtbar zu machen und die Erinnerung an die Opfer gegen aufkommende rechte Ideologien und Rassenhass in der Gegenwart zu aktivieren.“
Fast zeitgleich ließ die Friedhofverwaltung Material und Informationen über Grabstätten zusammentragen, die für die Geschichte der Stadt von besonderer Bedeutung sind. So wurde auch ein Teil unserer Grabstätten mit laufenden Nummern versehen und in die Rundgang- Broschüre mit aufgenommen. Dies geschah im Zusammenhang mit dem hundertjährigen Bestehen des Neuen Friedhofs. Wir danken an dieser Stelle Antje Krause und Hanna Jawinsky, die diese Rundgänge oft begleitet haben.
In der Zwischenzeit gab es zahlreiche Absprachen mit der Friedhofverwaltung, „unsere“ Anlagen würdiger zu gestalten. Konkret ging es um die Grabanlagen:
- Das Gräberfeld antisemitischer Verfolgung und Opfer verschiedener Nationen.
- Das Gräberfeld UKa (Nähe der Senke), auf dem VdN- und OdF-Angehörige in der Zeit von 1959 bis 1967 beigesetzt wurden.
- Um das Gräberfeld oberhalb des ehemaligen „Ehrenhain der Sozialisten“.
- Um die Tafel für Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus dem Außenlager Ravensbrück in Barth.
Verbliebene Tafeln vom Ehrenhain wurden zum Teil eingelagert. Auch gab es Ideen und konkrete Vorschläge für eine zentrale, künstlerisch gestaltete Gesamtanlage VdN/OdF in der Nähe des Krematoriums. Dafür fanden sich weder eine Mehrheit in der Stadtverwaltung noch Finanzen.
Nach dem Erscheinen der ersten Broschüre mehrten sich bei uns die Anfragen von Hinterbliebenen, weshalb ihrer Angehörigen in dieser Weise nicht gedacht wurde. Wir beantragten Fördergelder und stellten eigene Mittel zur Verfügung, um a) zu recherchieren und eine weitere Broschüre zu erarbeiten und b) eine künstlerisch gestaltete Stehle oder ähnliches, in Auftrag zu geben, die allen auf den Rostocker Friedhöfen Beigesetzten gewidmet ist, d.h. Widerstandskämpfern, Kommunisten, Sozialdemokraten, Spanienkämpfern, Menschen aus dem bürgerlichen und christlichen Widerstand, rassisch und anderen Verfolgten, Homosexuellen, Behinderten, Emigranten, Deserteuren.
Die zweite Broschüre trägt deshalb den Titel: „Wir erinnern an die auf den Rostocker Friedhöfen bestatteten Verfolgten des Naziregimes“. Gleichzeitig recherchierten wir über das Leben des jüdischen Schauspielerehepaares, Liesl und Hans Hofer. Sie haben mehrere Konzentrationslager überstanden, lebten in ihren letzten Jahren in Rostock und gestalteten das künstlerische Leben am Volkstheater Rostock mit. Über sie erschien die Broschüre: „Die Hofers- Theresienstadt – Kabarett – Rostock„.
Nach monatelangen kontroversen Diskussionen über den Standort und die Form eines Gedenkortes im o.g. Sinne wurde der Künstler Wolfgang Friedrich beauftragt einen Steinblock mit der Aufschrift „Wir erinnern an die auf Rostocker Friedhöfen bestatteten Verfolgten des Naziregimes. Nie wieder Faschismus“ zu gestalten. Am 8. Mai 2015, dem 70. Jahrestag der Befreiung wurde dieser Ort des Gedenkens im Beisein des Oberbürgermeisters der Stadt und des Präsidenten der Bürgerschaft feierlich eingeweiht.
Unwürdig erschien uns der Zustand der Grabanlage UKa (an der Senke). Einige Steine tragen noch die Signien OdF oder VdN. Die wollten wir im Original erhalten. Wir suchten uns zunächst einen kleinen Findling und ließen auf ihn die Buchstaben OdF VdN anbringen. Da uns der Friedhof im Zusammenhang mit seiner Umgestaltung den Platz an der Senke zur Verfügung stellt, können wir nun auch, in nächster Zeit aufzugebende Steine vor dem Zertrümmern bewahren. Sie sollen dort neu verlegt und in Zukunft in Verantwortung der Stadt d.h. durch den Friedhof gehegt und gesichert werden. Wie in all den Jahren wurden wir durch die Verantwortlichen des Friedhofes, Herrn Pohling und seine Mitarbeiterinnen unterstützt. Ihnen gilt unser Dank.
Danken möchte ich auch den Mitgliedern der AG-Friedhof: Regine Lück, Hanna Jawinsky, Maren Haase, Henning Schleiff, Wolfgang Methling und dem früheren Mitglied Jürgen Weise.
Ich habe unseren Schatzmeister Günter Althaus gebeten, eine Übersicht der Finanzen, Eigen- und Fördermittel zu geben.
Wie ist nun der Stand und was ist bis zum Abschluss dieses Teiles des Friedhofsprojektes noch zu tun?
Unser Vorhaben, aufgegebene Grabsteine umzulagern und in die Grabanlage UKa zu integrieren wird insofern eingeschränkt, da viele von ihnen in den historischen Rundgang des Friedhofes eingebettet und mit laufenden Nummern versehen sind. Deshalb werden wir die Möglichkeit nutzen, die Namen in kleinen Schildern auf einen größeren Findling bei der Senke (UKa), an authentischer Stelle anzubringen.
Mit dem Hinweis auf die Schicksale einzelner Verfolgter und Opfer soll symbolisch und stellvertretend auf die Verbrechen der Nazis an Menschen aller Bevölkerungsgruppen, die sich ihren Machtansprüchen widersetzten und nicht ihrer Rassenideologie entsprachen, aufmerksam gemacht werden.
Wir meinen nun, 2018, einen entscheidenden Anteil an dem uns 2002 und 2011 gegebenen Auftrag erfüllt zu haben.
Hannelore Rabe (Verantwortlich für das Friedhofprojekt, 1. Teil)