Zur Kundgebung der VVN-BdA Rostock sprach Ellen Brombacher am Mahnmal im Rosengarten:
„Heute vor 69 Jahren wurde Auschwitz befreit. Meine Eltern hatten eine Freundin – eine slowakische Jüdin. Mit 17 kam sie nach Auschwitz und überlebte. Ich lernte sie kennen, als ich 14 war. Erst als sie schon alt war – und vielleicht nicht zufällig nach 1990 – sprach sie über ihre grauenhaften Erlebnisse. Sie erzählte über ihre aus demselben Dorf wie sie stammende gleichaltrige Freundin, die mit auf den LKW kletterte, der zu den Gaskammern fuhr. Sie war nicht, wie die SS es nannte, selektiert worden. Sie hielt es einfach nicht mehr aus.
Ich fragte die Freundin meiner Eltern, ob ich ihre Geschichten aufschreiben kann. Sie lehnte ab. Ich fragte sie später noch einmal und versprach, jede Zeile mit ihr abzustimmen. Darum ginge es nicht, sagte sie mir. Niemand wisse, was noch käme. Sie sei alt, aber sie habe Kinder und Enkel. Sie wäre mit dem Aufschreiben einverstanden, wenn wir noch in der DDR lebten. Da hätte sie nie Angst gehabt, die könnten wieder kommen. Ihre Geschichte blieb ungeschrieben. Sie ist seit Jahren tot.
Als ich vor wenigen Tagen im ND las, was sich in Ungarn abspielt, dachte ich sofort an sie. Dort werden Denkmäler von Antifaschisten auf einen Denkmalfriedhof verbannt und zugleich werden Plätze und Straßen nach Horthy benannt: Ein Mörder, der wesentlich dafür verantwortlich ist, dass 1944 mehr als vierhunderttausend ungarische Jüdinnen und Juden nach Auschwitz deportiert wurden. Und was machen sie dort in Ungarn, aber auch in der Slowakei oder der Tschechischen Republik und auch in Frankreich mit den Roma? Unter den Faschisten auch Opfer eines Völkermords. Wenn ich über den NSU-Prozess lese und mir all die offenen Fragen durchdenke, die wohl offen bleiben werden, wenn ich an die Aufmärsche der lettischen SS-Verbünde denke oder an den Einfluss von Marine le Pen in Frankreich oder an die faschistischen Mörder der Goldenen Morgenröte in Griechenland, dann denke ich zugleich an die Freundin meiner Eltern, an Kurt Goldstein, an meine Eltern, an die Millionen, die Opfer des Faschismus wurden. Daraus erwächst die antifaschistische Verpflichtung für das Heute, die die Erinnerung einschließt, auch daran, dass heute vor 70 Jahren die Blockade von Leningrad gebrochen wurde.“