Das Jahr 2015
(Auszüge aus dem Bericht von unserem Mitglied Dr. Johanna Jawinsky)
Also – es war ein total aufregendes Jahr:
Im März vom 26. – 28. waren wir vom Friedensbündnis in Büchel, um mit Sitzblockade auf den unmöglichen Zustand aufmerksam zu machen, dass dort immer noch USA-Atombomben lagern, obwohl „unsere“ Regierung vom Bundestag aufgefordert worden war, über den Abzug zu verhandeln. Jetzt sollen die Bomben sogar modernisiert werden und deutsche Flieger trainieren ihren Transsport.
Vor uns waren schon Leute dort und daher war die Polizei gewarnt. Obwohl wir noch im Finstern dort ankamen, war so viel Polizei präsent, dass es nur zwei oder drei von uns gelang sich auf die Straße kurz zu setzen, so dicht blockten sie jeden von uns ab.
Wir blieben dann aber noch stundenlang bei kaltem und regnerischem Wetter, zeigten unsere Transparente und Pace-Fahnen. Einige der vorbeifahrenden Fahrzeuge hupten und winkten uns freundlich zu.
Jetzt gibt es ein Nachspiel: Einer der Organisatoren erhielt mit Datum 6. November 2015 einen Strafbefehl „wegen unangemeldeter öffentlicher Versammlung unter freiem Himmel in 22 Fällen“. Nun melden wir uns, die wir in Büchel waren, dass auch wir dann bestraft werden müssten. Wir haben uns freiwillig ohne Zwang dort versammelt. Mal sehen, was der Richter Herr Müller aus Cochem antwortet.
Dann war eine größere gut gelungene Veranstaltung der Hiroshima-Tag. Zur Erinnerung an den 70. Jahrestag des Abwurfes der Atombombe luden wir zum Schwanenteich ein. Dort befindet sich als Freundschaftsgeschenk ein kleiner Japanischer Garten. Wir hielten eine kurze Kundgebung ab und anschließend wurden über 100 kleine leuchtende Schiffe, einer japanischen Tradition folgend, im Schwanenteich eingesetzt. Interessanterweise kamen dorthin Rostocker, die sonst nie bei unseren Aktionen zu sehen gewesen waren. Allein einer von uns (Günter) hatte 100 Schiffchen gebastelt.
Der 8. Mai hatte dieses Jahr eine besondere Bedeutung, da es der 70. Jahrestag der Befreiung war. Im Vorfeld hatte ich mein wohl größtes Erlebnis des Jahres: Der Empfang in Russischen Botschaft in Berlin. (Darüber gibt es einen besonderen Bericht)
Im April gelang es mir mit Hilfe von Carsten Penzlin, der das Layout in kurzer Zeit zauberte und sich um den Druck kümmerte; Katja, meiner Patentochter, die Korrektur las, und Dank der Bereitschaft der Rosa-Luxemburg-Stiftung,(Andreas Herms und Werner Pade), die dem Anliegen offen gegenüberstanden und Geld für den Druck genehmigten, meine Broschüre „Rostock1945 – Befreiung und Neubeginn“ rechtzeitig vor dem 70.Jahrestag herauszubringen. Wir sandten die Broschüre an alle Schulen (mit Klassen ab Stufe 5) und einige Schulen forderten Klassensätze, der OB 10 Exemplare an. Der Grund für die rasche Herausgabe war für mich, die unerträgliche Russophobie. Die Rolle der Sowjet-Union bei der Befreiung wurde meist totgeschwiegen oder herabgewürdigt. Dem wollte ich an Hand örtlicher Erinnerungen und Dokumente etwas entgegensetzen. Meine Freundin in St. Petersburg, ein ehemaliges Blockadekind schrieb, dass sie sich sehr darüber gefreut hat.
Ein wichtiges Ereignis, dem jahrelanges Bemühen, vor allem von Hannelore Rabe vorausging, die Einweihung einer Stele zur Erinnerung an die auf Rostocker Friedhöfen beigesetzten Widerstandskämpfer und Verfolgten des Naziregimes. Es bleibt jedoch noch nachzufügen die Bewahrung der Gräberstellen oder zumindest die Anfertigung einer Tafel mit den Namen derjenigen, derer gedacht werden soll. Sie gehören zur Geschichte und Kultur dieser Stadt und dürfen nicht in Vergessenheit geraten.
Ich nahm Teil an der Eröffnung der Ausstellung zum 70. Jahrestag der Befreiung im Klosterhof – der OB hielt in Anwesenheit des Stellv. Botschafters der Russischen Föderation eine erstaunlich gute Rede, dann auf dem Puschkinplatz und in Doberan sowie am 9. Mai an der Veranstaltung in Lichtenhagen. Dort beeindruckte mich besonders der Chor mit russischen und anderen Friedensliedern – dabei besonders der Gesang kleiner russischer Kinder mit ihren erstaunlichen Stimmen.
Dann folgte die Hanse-Sail – wir postierten uns auf dem Kanonsberg mit unseren Losungen z.B. „Frieden schaffen – ohne Waffen“ und nahmen teil an einer kleinen Protestaktion gegen einen Gottesdienst auf einem Kriegsschiff in Warnemünde – aufgefordert zur Teilnahme hatte uns eine Pastorin. Das Ganze wird durch unsere Cornelia (Frau Dr. Cornelai Mannewitz) zusammengehalten, die Unwahrscheinliches für die Friedensbewegung leistet.
Der 1. September fand uns traditionsgemäß mit unserem Aufsteller auf dem Uni-Platz. Erstaunlich war, wie angesichts der Kriege in der Welt wenig Menschen von uns und unseren Freunden aus Bad Kleinen Notiz nehmen wollten.
Schließlich habe ich mir mehr als „ein Bein ausgerissen“ . um den 2. Sonntag im September, dem internationalen Gedenktag an die Opfer des Faschismus mal anders zu gestalten. Dazu hatte ich mit Günter und Hilfe von Andreas Penzlin über 1000 Flyer anfertigen lassen, die auch durch den KV, Schreiben an die Schulen und das Peter-Weiß-Haus verteilt worden sind. Darin hatten wir zur Kundgebung am Steintor aufgerufen, wo Prof. Putensen einen eindrucksvolle Rede hielt und ins Peter-Weiß-Haus zu einer szenischen Lesung über Rudolf Mokry. Dazu waren extra die Moderatoren aus Hamburg gekommen, die die Lesung durchführten. Diese wurde als sehr gelungen bewertet. Die Teilnahme war aber nicht zufriedenstellend. Wobei gesagt werden muss, dass zu dieser Zeit schon viele junge Leute mit der Hilfe für Flüchtlinge unterwegs waren.
Schließlich war das Jahr gekennzeichnet durch das Ankommen Tausender Flüchtlinge. Zunächst bemühte ich mich Hilfe für ein geplantes Heim in Niex, was aber nicht zustande kam. Ich regte die Sammlung von Bettwäsche u.a. in der Gemeinde erfolgreich an. Zu meinem Geburtstag hatte ich um Süßigkeiten für ein Heim mit unbegleiteten Kindern und Jugendlichen in Kühlungsborn erfolgreich gebeten. Schließich packte ich 13 mit von mir eingekauften Sachen Weihnachtspäckchen und meine Wanderfreunde hatten so viele Süßigkeiten mitgebracht, dass noch mehr Jugendliche beschenkt werden konnten. Schließlich schrieb ich 15 Briefe an Menschen in den USA, Süd-Korea und Eritrea, die aus Gründen der Kriegsdienstverweigerung jahrelang in Gefängnissen sitzen.
In der Russischen Botschaft in Berlin
(Richtig: der Russischen Föderation)
Also um es vorweg zu nehmen, es war ein tolles Erlebnis in der Botschaft – schon die palastähnlichen Säle mit den riesengroßen Kronleuchtern und das Bankett….
Wie kam es zu der Einladung? Bei der Ausarbeitung der Broschüre über die Opfer und Verfolgten des Faschismus auf dem Neuen Friedhof in Rostock hatte ich unter anderem zahlreiche Listen der ausländischen Opfer gefunden. Die meisten Angaben betrafen sowjetische Bürger. Mit Christine Weise, die sehr gut die russische Sprache beherrscht und daran teilnahm und die mit mir auch auf dem Puschkinplatz weitere Namen erkundete, konnten wir die von russischen Forschern zusammengestellten Listen vergleichen und weitere Namen hinzufügen. (Auf dem Puschkinplatz hatten wir mit Wasser und Bürste die Tafeln gesäubert, damit Christine die Namen lesen konnte.) Auch dokumentierte ich die mit Namen versehenen Gräbertafeln fotografisch und wir übergaben das Material an das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst. Die Verbindung zu Karlshorst kam durch Dr. Prieß zustande, der von dort mit einem Forschungsauftrag befaßt war.
Auch Jürgen Weise hatte engen Kontakt zu Dr. Prieß. Auf seine Initiative hin, erhielt das Deutsch-Russische Museum wertvolle Dokumente. Das Mitglied unserer Basisorganisation Rostock der VVN-BdA , Erich Hillert, war das letzte noch lebende Mitglied des Nationalkomitees „ Freies Deutschland“ (NKFD) in Mecklenburg-Vorpommern. Er hatte auf Seiten der Roten Armee im 2. Weltkrieg gegen die faschistische Wehrmacht gekämpft. Er war hauptsächlich dort eingesetzt worden, wo über Lautsprecher deutsche Soldaten zum Verlassen der Hitlerwehrmacht aufgefordert worden waren. Die Originaldokumente, Berichte und Ausweise, die er darüber besaß, übergab er in feierlicher Form an das Deutsch-Russische Museum in Karlshorst. Ihm wurde dafür eine Ehrenurkunde überreicht.
Auf diese Weise hatten wir also Kontakt zum Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst und erhielten deshalb aus Anlaß des 7O. Jahrestages der Befreiung zum 24. April 2015 eine Einladung zur Botschaft nach Berlin.
An diesem Tag wurde eine in langjähriger Arbeit zustande gekommene Dokumentation über Gefallene, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus dem 1. Und 2. Weltkrieg unter
www.sowjetische-memoriale.de ins Netz gestellt. Dazu sprachen der Boschafter und einige Historiker, die sich damit befaßt hatten. Es wurden dann auch einige Orden verliehen; erstaunlicherweise für uns besonders an Persönlichkeiten aus Westdeutschland, die sich verdient gemacht hatten mit der Erfassung von Gräbern sowjetscher Bürger. Die meisten kamen von der Kriegsgräberfürsorge, aber es gab auch Persönlichkeiten, die nicht in Vereinen organisiert waren.
Danach gab es eine Pause, in der wir eine sehr gute Ausstellung mit Zeichnungen aus der Blockade Leningrads ansehen konnten.
Dann ging es zum Bankett: Es gab alles! Soljanka, Pelmeni – die ich leider zu spät entdeckte – Kaviar, Lachs vom Feinsten, Obstsalat, Törtchen und, und; so viel, dass man nicht alles probieren konnte.
Dann schenkte jemand Rotwein ein. Etwas später entdeckte ich Russischen Wodka.
An dem kleinen Stehtisch, an dem ich mich aufhielt, kam es besonders nach 2 Gläschen Wodka zu Gesprächen. Neben mir stand ein, wie ich meinte, junger Mann und ich fragte, ob er aus Korea käme und aus welchem Grund er dabei sei. Es stellte sich heraus, dass er Chinese ist , aber schon 35 Jahre in Berlin lebt. Kaum zu glauben, denn er sah sehr jung aus. Dann gesellte sich ein Mann hinzu, der erklärte der Herkunft nach Bulgare zu sein, aber auch schon lange in Berlin zu leben. Auf die Frage woher ich käme, also aus Rostock, also aus dem Osten, entspann sich ein Gespräch über uns Ossis.
Da wir über das, was mit den Ostlern gemacht worden war, einer Meinung waren, kam es dank des Wodkas halbwegs zur Verbrüderung – wobei ich den Bulgaren, der sich als linkes Mitglied der SPD erklärte, ermahnte, wenn er schon links sei, das auch in seiner Partei besser durchzusetzen.
Beschwingt verließen wir dann die Botschaft.
Berlin! Ich kam gerade von einem einwöchigen Aufenthalt aus Rügen und da empfand ich Berlin – besonders auch Unter den Linden, wo ewig gebaut wird als schmutzig und lärmig. Früher fuhren dort und in der Friedrichstraße ja nur wenige Autos, aber jetzt war unaufhörlich Betrieb. Also fiel es uns nicht schwer, Berlin wieder Lebewohl zu sagen.
Der Aufenthalt in der Botschaft wird uns aber noch lange in Erinnerung bleiben.
Gleich nach der Rückkehr ging ich ins Internet, um die o.g. Plattform aufzurufen.
Unter dem Stichwort Danksagung findet man Christine und Jürgen Weise sowie Johann Jawinsky
Dr. J. Jawinsky
Jahresbericht
Rostock, Montag, 23.11.2015
Liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Förderer und Freunde
das Jahr 2015 war und ist für unsere VVN-BdA Basisorganisation Rostock vom 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus geprägt. Neben unseren üblichen Gedenktagen haben wir auch das Andenken der Verfolgten des Naziregimes durch zusätzliche Aktivitäten geehrt. Dabei reichte die Kraft des Vorstands leider nicht aus, um wie sonst zwischen März und Juni eine Gesamtmitgliederversammlung durchzuführen. Der Vorstand musste die Arbeit ohne Vorsitzende bewältigen. Dabei konnten wir aber wie stets auf die große Einsatzbereitschaft von Dr. Johanna Jawinsky und Jürgen Weise zählen, obwohl beide nicht dem Vorstand angehören und auf die 85 zugehen. Für die nahe Zukunft können wir wieder mit normaler Besetzung des Vorstands rechnen.
Wir geben nun einen Überblick über die Aktivitäten im für uns besonderen Jahr 2015.
Wir haben den Auschwitz-Gedenktag, den 27. Januar, in diesem Jahr der 70. Jahrestag der Befreiung dieses Konzentrationslagers, mit vielen Teilnehmern am Rosengarten würdig begangen.
Der Frauentag wurde am bereits am 6. März bei der Volkssolidarität am Vögenteich gefeiert.
Am 1. Mai legten wir am Werftdreieck am Denkmal für die über 2000 ausländischen Zwangsarbeiter, die von der Sowjetarmee vor 70 Jahren befreit worden waren, ein Blumengebinde nieder und beteiligten uns danach an der Maidemonstration des DGB.
Am 6. Mai verabschiedeten wir eine Fahrraddemonstration nach Demmin zur 1. Demminer Konferenz gegen Krieg und Faschismus.
Für den 7. Mai organisierten wir die Aufführung des Filmes „No Pasaran“ im Peter-Weiss-Haus, mit dem Film von Daniel Burkholz, der dem selbstlosen Einsatz der Spanienkämpfer, u.a. Kurt Goldstein, ein Denkmal setzt.
Am 8. Mai wurde morgens auf dem Neuen Friedhof nach 70 Jahren endlich ein Ort des Erinnerns an die Verfolgten des Naziregimes eingeweiht, die auf den Rostocker Friedhöfen bestattet sind.
Die Gedenkrede hielt in Anwesenheit des Oberbürgermeisters und des Bürgerschaftspräsidenten Dr. Wolf-gang Nitzsche (DIE LINKE.) unsere Kameradin Hannelore Rabe, die zusammen mit Dr. Johanna Jawinsky, Marie-Louise Hänsel und Jürgen Weise jahrelang beharrlich für diesen Gedenkort wirkte.
Am 8. Mai gedachten wir nachmittags gemeinsam mit dem Chor der Freunde der russischen Sprache und Repräsentanten der Russischen Föderation auf dem Puschkinplatz der gefallenen Soldaten und Offiziere der Roten Armee. Hauptrednerin war Eva Kröger, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE in der Rostocker Bürgerschaft. Später legten wir auch am OdF-Ehrenmal noch Blumen nieder.
Am 9. Mai wurde mittags im Lichttheater Wundervoll im Barnstorfer Weg der eindrucksvolle – 1958 mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnete – sowjetische Antikriegsfilm „Die Kraniche ziehen“ gezeigt. Nachmittags sang, von uns organisiert, der Kinderchor der Volkssolidarität in Lichtenhagen im „Nordlicht“.
Am 1. August nahmen wir am Friedensfest in Graal-Müritz mit einem eigenen Stand teil.
Am 5. August beteiligten wir uns an der Aktion des RFB, zum 70. Jahrestag des Abwurfs der 1. Atombombe, dem Hiroshima-Tag, u.a. mit Lampions auf dem Schwanenteich der Opfer zu gedenken.
Der 13. September am Gedenksonntag für die Opfer des Faschismus, hielt Prof. Dr. Gregor Putensen, dessen Mutter aktive Widerstandskämpferin war, die Rede. Im Peter-Weiss-Haus berichteten mittags zwei Hamburger über das Leben und den Kampf des in Rostock aufgewachsenen Antifaschisten Rudolf Mokry.
Am 10. November nahmen wir an der Gedenkstunde der jüdischen Gemeinde für die vor 77 Jahren zerstörte Synagoge in der Augustenstraße 101 teil und schmückten die Stele mit einem Blumengebinde.
Zwei Broschüren wurden zum 70. Jahrestag der Befreiung fertiggestellt. Hannelore Rabe stellte die zweite Friedhofsbroschüre: „Wir erinnern an die auf Rostocker Friedhöfen bestatteten Verfolgten des Naziregimes“ fertig und Dr. Johanna Jawinsky „Rostock 1945 – Befreiung und Neubeginn“.
Mit vielen guten Wünschen für die letzten Wochen im Jahr 2015 und das Jahr 2016
grüßt der Vorstand der VVN-BdA BO Rostock
Marie-Louise Hänsel, stellvertretende Vorsitzende
Liebe Freunde,
ihr macht euch gleich auf den Weg nach Demmin, in die Stadt Mecklenburgs, die für ein besonders grausiges Geschehen in den Maitagen 1945 bekannt ist. Dort brachten sich nicht nur kommunale Nazigrößen um, die nicht rechtzeitig nach Westen geflohen waren, sondern auch viele gering belastete Einwohner, die auch Frauen und Kinder mit in den Tod nahmen.
Es ist das Bestreben der meisten heutigen Meinungsmacher, den sowjetischen Soldaten dafür eine Mitschuld zu geben. Die Vorgeschichte gerät dabei üblicherweise etwas kurz. Ja, die Schuld am 2. Weltkrieg wird oft allein auf Hitler geschoben, einem angeblich Wahnsinnigen. Der 2. Weltkrieg ist aber nicht ohne die deutsche Vorgeschichte zu begreifen.
Deutschland war spätestens seit Preußens Aufstieg militaristisch geprägt. Es ging immer um Macht, Einfluss und materiellen Gewinn, der auch Gebietsgewinn einschloss. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fühlten sich die Herrschenden in Deutschland zu kurz gekommen bei der Aufteilung der Welt unter den Kolonialmächten, allen voran Großbritannien und Frankreich. Der angeblich durch Bündnistreue erzwungene Eintritt des Deutschen Reiches in den 1. Weltkrieg war nichts anderes als der Wille und die scheinbare Gelegenheit zu Eroberungen im Westen und im Osten. Das ging gründlich schief, doch seltsam, der deutsche Friedensheld Liebknecht wird noch heute verleumdet, während Hindenburg, dem der Krieg wie eine Badekur bekam, noch heute allen Versuchen der Partei DIE LINKE. zum Trotz in Berlin weiter Ehrenbürger bleibt.
Die Versager Hindenburg und Ludendorff blieben nach 10 Millionen Toten dennoch geehrt im Deutschland der Weimarer Republik, die nicht nur den preußischen Militarismus weiterleben ließ, sondern auch die Rechte der Frauen und der Arbeiter weitgehend beschnitt, über Industrie, Großgrundbesitzer und Presse die Menschen gegen ihre eigenen Interessen tätig werden ließ und nicht in der Lage war, eine Wirtschaft zu organisieren, die den Menschen Arbeit und Brot gab.
Das Elend der Massen nutzten die Wirtschaftskonzerne, ob IG Farben, Thyssen oder Krupp, ein autoritäres Regime zu installieren. Hitler und seine NSDAP waren ihre Vollstrecker und die Militärs waren wild darauf versessen, die Scharte von 1914-1918 auszuwetzen. Dank der Westmächte konnten die Nazis mit dem deutschen Militär die Tschechoslowakei von der Landkarte tilgen. Auch Polen und Ungarn beteiligten sich an der Aufteilung. Auf die Angebote der Sowjetunion an die Westmächte, die Tschechoslowakei zu schützen, ging man nicht ein. So kam es danach zum Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion, den im Wesentlichen die Westmächte durch ihre feindliche Haltung zur SU verschuldeten.
Die deutsche Wehrmacht führte in der Sowjetunion einen unvorstellbar grausamen Vernichtungskrieg. Was auf dem Vormarsch nicht in Schutt und Asche gelegt worden war, zerstörte man auf dem Rückweg. Neueste Zahlen sprechen von 28 Millionen toten Sowjetbürgern, in der Mehrzahl Russen. Das ist mehr als die Einwohnerzahl der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs zusammengenommen.
Wenn die Militärs heute den SS-Divisionen die Hauptschuld zuschieben, dann darf man wohl fragen, warum die angeblich so ehrenwerten Wehrmachtsgeneräle die Mörderbanden gegen Juden und Kommunisten, gegen den jüdischen Bolschewismus, so wüten ließen. Ja, unser Held seit den sechziger Jahren, davor galt er als Verbrecher, von Stauffenberg, war auch Antisemit.
Am 1. Mai, vor 70 Jahren, befreite die Sowjetarmee unter Gardekapitän Semjon Dmitrewski unsere Heimatstadt. Für viele Einwohner war dieser Tag ein Tag der Niederlage und der nationalen Schmach. Für die über 2000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aus ganz Europa aber, die gezwungen worden waren, in den Heinkelschen Rüstungsbetrieben in Rostock zu arbeiten, und auch für zahlreiche Rostockerinnen und Rostocker, vor allem die am Leben gebliebenen Sozial-demokraten, Kommunisten und echten Christen, war es der Tag der Befreiung.
Es ist darauf zu verweisen, dass ein Drittel der mecklenburgischen Pfarrer der NSDAP angehörten, Ihr Anteil war also weit höher als der in den anderen Bevölkerungsteilen, aber selbst die sogenannte Bekennende Kirche stand politisch dem Naziregime nicht kritisch gegenüber, wie sie nach 1945 selbst betonte, solange dieses die Interessen der Kirche nicht beeinträchtigte. Nur wenige Kirchenvertreter wirkten zu Kriegsende deeskalierend und nahmen Einfluss auf ihre Mitglieder. Auch das dürfte ein entscheidender Grund für die Massensuizide in Demmin gewesen sein, wo sich die Hasspropaganda der Nazis gegen den jüdischen Sowjetbolschewismus so extrem niederschlug. Christen lehnen Selbsttötungen doch gemeinhin ab.
Die Rote Armee kam als Befreier nach Deutschland, nicht als Vernichter und Zerstörer, doch der sinnlose Widerstand der Nazibarbaren noch in den letzten Kriegstagen, die sich nicht scheuten, auch 14-jährige in den Kampf zu schicken, und aus dem Hinterhalt sowjetische Soldaten töten ließen, erzeugte, wie jeder normal empfindende Mensch nachvollziehen kann, auch Hass.
Rache ist da verständlich, wenn auch nicht entschuldbar.
Besten Dank für Ihre und eure Geduld 2015.05.06 Günter Althaus