„Antifa“
geht uns doch nichts an!
Das ursprüngliche Denkmal unserer Gemeinde Ostseebad Dierhagen kümmerte unter Buschwerk seit Jahren dahin. Die allgemeine Meinung im Ort und bei Urlaubern war:
Weg damit, wir haben hier doch gar keinen Betroffenen.
Die Gemeindevertretung beschloss dennoch, es neu zu gestalten und an einem zentralen, würdigen Ort auf zu stellen.
Es war nun erforderlich, klar zustellen, wer denn Opfer des Faschismus waren und heute noch sind. Allein die unmittelbar Verfolgten, die in Lagern gequält und gemordet wurden?? Wie bedenklich ähneln heutige Tendenzen dem damaligen Weg??
Daher die folgende Gedenkrede:
„Heute wollen wir das neu gestaltete Denkmal für die Opfer aus der Zeit des sogenannten „3.Reiches“ einweihen, dazu begrüße ich Sie.
Wenn wir das Symbol des Winkels sehen, denken wir zuerst an die Häftlinge in den Konzentrations-lagern. Gerade in diesen Tagen werden wir im Fernsehen und in den anderen Medien mit den Grausamkeiten, dem Leiden und Sterben in den Lagern konfrontiert.
Vergessen wir dabei aber nicht die anderen Verfolgten und Opfer.
Der 2. Weltkrieg ging von Deutschland aus und es waren die Nationalsozialisten, die ein ausge-klügeltes System zur endgültigen Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen in die Tat umsetzten.
Wir erinnern heute an die Millionen Opfer des 2. Weltkrieges, des faschistischen Eroberungs – Krieges.
Betroffen waren auch die deutschen Soldaten und die Soldaten aller beteiligten Länder. Voller Idealismus zogen deutsche Männer in den Krieg, sie wurden Opfer ihrer Begeisterung. Wer überlebte, war ein Leben lang vom Krieg gezeichnet.
Zu den Millionen Opfern des Krieges zählen die hungernden, leidenden oder umgekommenen Frauen, die Kinder und die Alten. Sie erlitten bei Fliegeralarmen Todesangst in den Luftschutzkellern oder in ihren Wohnungen.
Zu den Opfern gehören die heimatlos Gewordenen, die Flüchtlinge und Vertriebenen, die Waisen-kinder und Emigrierten.
Vor 70 Jahren zogen die Soldaten der Roten Armee durch ihr von Deutschen verwüstetes Land, sie fanden in den Höfen tote Frauen, Kinder, Alte, geschändet, erschossen, gehängt.
Vor 70 Jahren betraten amerikanische und britische Soldaten die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald, Bergen-Belsen. Die Welt hätte ihnen nicht geglaubt, hätten sie nicht die Grausamkeiten, die Schrecken gefilmt.
Das alles waren Folgen des Krieges, an dem vor allem die Rüstungsindustrie verdiente, des Krieges, der nach Deutschland zurückkam.
Wir erinnern heute an die nahezu 100 Millionen Menschen, deren Vernichtung die Nazis von Beginn an gezielt planten. Dazu gehörte die so genannte Euthanasie, also die wohl organisierte Ermordung körperlich oder geistig Behinderter, die als lebensunwert bezeichnet wurden. Dazu gehörten die anders Lebenden wie die Sinti und Roma, und anders Liebenden, die Homosexuellen. Dazu gehörten katholische und evangelische Gläubige, Priester und Pfarrer, Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften, dazu gehörten nicht zuletzt Juden und als Juden stigmatisierte Menschen.
Zu den Verfolgten gehörten aber auch die Menschen vieler Länder, die den Mut hatten, den Nazis die Stirn zu bieten. Den Nazis die Stirn zu bieten, die ihnen durch Machtfülle, durch Millionen begeisterter Anhänger und durch bewaffnete Truppen haushoch überlegen waren. Den Nazis die Stirn boten zum Beispiel die französische Resistance, die Dänische Widerstands-bewegung MORA, die Juden des Warschauer Aufstands, die sowjetischen, slowenischen, italienischen und anderen Partisanen.
In Deutschland leisteten in den Fabriken, in Städten und auf dem Land, an den Universitäten und in der Illegalität Kommunisten, Sozialdemokraten, Studenten, Christen, Juden, Wissenschaftler, Offiziere, Generäle und Politiker Widerstand gegen das von Hitler geführte System. Sie hatten den Mut und die moralische Kraft, sich der Schändung der Ehre ihres Landes zu widersetzen. Deutschland war ja seit Jahrhunderten das hoch geachtete Land der Dichter und Denker, Künstler und Wissenschaftler. Durch die Nazis wurde es nun das Land der Unterdrücker europäischer Länder, das Land der Rechtsbrecher und der Massenmörder. Mit diesem Ruf ging unser deutsches Heimatland international in die Geschichte des 20. Jahrhunderts ein.
Aber es gibt noch einen anderen Anlass, einen ganz konkreten, unsere Gemeinde Dierhagen betreffend.
Tatsache ist: Der Ortsteil Neuhaus war zum Teil jüdisches Eigentum, Eigentum der Norddeutschen Terrain Gesellschaft. Diese hatte das Land in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erworben und ein Seebad geplant.
Die Grundstücke wurden auch an Juden verkauft. Da die Nazis jedoch den Strand für Hunde und Juden verboten, konnten sie weder bauen noch sich hier aufhalten. Wie all ihr Eigentum wurden ihr Grund und Boden, auch dieses Eigentum arisiert, die jüdischen Familien mussten auswandern oder kamen in die Vernichtungslager.
Sie leben nicht mehr, sind verschollen, wir können sie nicht mehr entschädigen, ihnen ihr Eigentum zurückgeben.
Aber wir sollten heute auch an sie erinnern.
Herr Guido Keil hat dafür gesorgt, dass dieses Denkmal nicht in Vergessenheit geriet.
Dank des entschlossenen Handelns unserer Bürgermeisterin Christiane Müller steht dieses Denkmal heute neu gestaltet und an einem würdigen Platz.
Erinnern wir uns bei seinem Anblick an die Opfer der Naziverbrechen auch in unserer Gemeinde.
Das Denkmal fordert uns auf, unseren Bürgern, den Kindern und den Gästen zu erklären, weshalb es hier steht.
Zur Erinnerung und zur Mahnung – dass sich so etwas nie und nirgends wiederholen darf.
Ich danke Ihnen für ihre Teilnahme an unserem heutigen Gedenken.“