Im Juni 1943 erhält die Familie Wilcken aus Rostock die Nachricht, dass der Ehegatte und Vater von drei kleinen Mädchen, Erich Wilcken, in einer Kaserne in Weimar Selbstmord begangen haben soll. Die Familie zweifelt das an. Sie ist der Meinung, dass er getötet worden ist oder in den Selbstmord getrieben wurde. Als die Ehefrau Erna und der älteste Bruder von Erich Wilcken nach Weimar reisen, um die Überführung zu regeln, dürfen sie ihn nicht mehr sehen. Der Bruder erreicht aber mit Hilfe der Leichenfrau den Zutritt. Er ist erschrocken, wie schlimm er aussieht und rät seiner Schwester, ihn besser so in Erinnerung zu behalten, wie sie ihn gekannt hat.
Die Vorgeschichte: Erich Wilcken geboren am 19.03 1909 in Rostock, gehörte, wie auch seine Frau Erna vor 1933 der Kommunistischen Partei an. Er war ein guter Sportler. Als Mitglied des Sportvereins „Fichte“ ließ er sich als Rettungsschwimmer ausbilden und war in den Sommermonaten im Flussbad am Mühlendamm tätig.
Der Sportverein „Fichte“ wurde 1933 verboten. Erich Wilcken versuchte die Sportgeräte des Vereins vor der Beschlagnahme durch die Nazis zu retten und versteckte sie auf dem Boden des Wohnhauses seiner Mutter in der Langen Straße. Dies muss aber verraten worden sein. Erich Wilcken wurde verhört und seine Mutter Anna, bei der die Geräte gefunden worden waren, kam von Sommer 1933 bis März 1934 in das Zuchthaus Bützow-Dreibergen. In dieser Zeit wurden die beiden jüngeren Brüder von Erich, Eberhard, er war Lehrling und Erwin, 12 Jahre alt, in Heime in Rostock eingewiesen. .
Nach der Entlassung der Mutter wohnten sie in einer Dachwohnung in Gehlsdorf. Erich hatte 1933 geheiratet. Von Beruf Maler war er mehrere Jahre arbeitslos und erhielt dann in den Arado-Flugzeugwerken in Warnemünde Arbeit als Maler.
Im Krieg wurde er als Kanonier in eine Ausbildungskaserne in Weimar eingezogen. Dort soll er am 15.04. 1943 Selbstmord begangen haben. Aber – ein Vater, von nun drei Kindern, das jüngste noch im Säuglingsalter, die Älteste Eva war 8 Jahre alt, begeht nicht Selbstmord, wenn nicht schwerwiegende Ereignisse vorangegangen sind. .
Es war das Jahr 1943, in dem Jahr der Stalingrader Schlacht. Erich Wilcken wusste bestimmt, was in Deutschland in den KZ geschah. Ob er sich darüber geäußert hat oder in einem Brief an seine Frau etwas geschrieben hat, was ihn belasten konnte, weiß die Familie nicht. Auf keinen Fall war er mit dem Naziregime und seinen Kriegszielen einverstanden.
Erich Wilcken, genannt Peter , wurde in Rostock Auf dem Alten Friedhof in Rostock bestattet. Nach der Befreiung vom Faschismus 1945 wurde Erich Wilcken zunächst als Opfer des Faschismus anerkannt. Am VdN-Ehrenmal am Steintor in Rostock wurden damals Tafeln von ermordeten Antifaschisten, darunter auch eine von ihm aufgestellt. Eine offizielle Anerkennung erfolgte jedoch nicht, weil keine Zeugen des Geschehens in Weimar ausfindig gemacht werden konnten.
Seine Frau, Erna Wilcken hat sich trotz der schlimmen Erlebnisse sofort 1945 und in den Jahrzehnten danach aktiv für den antifaschistischen Neuaufbau und für die sozialistische Entwicklung eingesetzt.
Diese Geschehnisse berichteten unserem Vorstand der Basisaroganisation VVN-BdA Rostock die Töchter von Erich Wilcken. Antifaschisten aus Hamburg, die sich u.a. mit den Schicksalen von Deserteuren befassen, ermutigten uns, doch noch zu versuchen die näheren Umstände des Todes Erich Wilckens in Erfahrung zu bringen.Bis jetzt liegt uns jedoch nur die Aussage der „Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen“ vor, dass er laut einer Meldung des Feldgerichts Kommandeur General und Befehlshaber im Luftgau III vom 06.05.1943 „durch Selbstmord infolge einer Strangulation ums Leben gekommen sein soll.“ Hintergrundinformationen stünden nicht zur Verfügung.
Die Hoffnung, doch noch etwas erfahren ist zwar gering,Sollte dennoch jemand darüber etwas wissen, möchten wir freundlich bitten, dies uns mitzuteilen.
Johanna Jawinsky, Vorstand VVN-BdA Rostock